Am 02.06.2016 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seinen Abschlussbericht zum Thema „Hyperbare Sauerstofftherapie beim Diabetischem Fußsyndrom“ veröffentlicht.

Nachdem das IQWiG in seinem im Vorjahr veröffentlichtem Vorbericht einen Beleg für einen patientenrelevanten Zusatznutzen der HBO-Therapie beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS) im Vergleich zu einer alleinigen Standardwundversorgung sah, redigiert das Institut seine Aussage im Abschlussbericht: Es wird nur noch ein „Anhaltspunkt für einen Nutzen“ der HBO-Therapie gesehen.

Wie kam es hierzu und wie ist dieser Sachverhalt zu bewerten?

Für den Abschlussbericht des IQWiG wurden insgesamt 9 randomisierte Studien in die abschließende Bewertung einbezogen. Im Gegensatz zum Vorbericht von 2015 wurde nun eine erst im Februar 2016 veröffentlichte randomisiert-kontrollierte Studie von Fedorko et al. berücksichtigt. Diese Arbeit zeigte keinen positiven Effekt der HBO-Therapie, weder für die Abheilung von Ulzera noch für die Indikation zur Majoramputation.

Es ist bekannt, dass das IQWiG für seine Entscheidungsfindung sehr strenge Maßstäbe der Evidence Based Medicine (EBM) anlegt und natürlich kann das Institut die Veröffentlichung von Fedorko et al. nicht ignorieren.

In der Arbeit von Fedorko et al. finden sich allerdings erhebliche Mängel: In der Patientenselektion befindet sich ein zu großer Anteil von Patienten, die ein Wagner Stadium Grad II (44,6%) aufwiesen. Bei diesen Patienten ist ein Zusatznutzen der HBO-Therapie bei konsequent durchgeführter Standardtherapie tatsächlich nicht gesichert.

Es gilt aber auch die Behandlungsrationale dieser Arbeit  kritisch zu hinterfragen, da vor Beginn der HBO-Therapie eine eventuell vorliegende Gewebshypoxie im Bereich der Wunden mittels Sauerstoffpartialdruckmessung (tcpO2) nicht überprüft wurde.

Hauptmangel ist aber die Beurteilung des Behandlungserfolges anhand einer fotographischen Begutachtung: Hiermit wurde bestimmt, ob „Kriterien für eine Amputation“ erfüllt seien. Es bleibt aber unbeachtet, ob es Patienten gegeben hat, die zwar zunächst die Kriterien für eine Amputation erfüllten, aber dann doch heilten. Die tatsächlichen Amputationsraten werden in der Studie nicht erwähnt.

Eine weitere ungeklärte Frage ist, in wie weit neben der „umfassenden Wundversorgung“ auch Entlastungsmaßnahmen zur Anwendung kamen.

Auch aus diesen Gründen urteilt das IQWiG zu Recht, dass derzeit nur die Ergebnisse zum Endpunkt Wundverschluss mit ausreichender Sicherheit interpretierbar sind. Hier zeige die Zusammenfassung der Daten einen Vorteil der HBO gegenüber der Kontrollgruppe: Im HBO-Arm war die Chance auf einen Wundverschluss fast doppelt so hoch wie im Vergleichsarm.

Aufgrund der Studie von Fedorko et al. kann das Institut in seinem Abschlussbericht allerdings keinen Beleg mehr erkennen, weswegen das IQWiG im Gegensatz zum Vorbericht von 2015 nur noch einen Anhaltspunkt für einen Nutzen der HBO-Therapie bei der Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms sieht.

Was bedeutet das für die HBO-Therapie in Deutschland?

Insgesamt zeigen sich in den vom IQWiG bewerteten Arbeiten aller Evidenzklassen erneut konsistente Ergebnisse für die Wirkung der HBO- Therapie in Bezug auf die Wundheilung (und damit auch in der Reduktion von Major-Amputationen).

Zusammenfassend lässt sich zudem feststellen, dass die Wirksamkeit der hyperbaren Oxygenationstherapie (HBOT) beim Diabetischen Fußsyndrom international als erwiesen gilt. Die HBOT wird bei geeigneten Patienten mit einem diabetischen Fuß-Syndrom europa- und weltweit eingesetzt und von den jeweiligen Gesundheitssystemen refinanziert, weil sie die Lebensqualität der Betroffenen steigert und Kosten einspart.

Damit ergibt sich auch für die deutschen medizinischen Fachgesellschaften eigentlich kein Grund, geeigneten Patienten den Zugang zur adjuvanten HBO zu verwehren.

In Anbetracht der auch seit Jahren unverändert hohen Amputationszahlen beim DFS in Deutschland besteht die zwingende Notwendigkeit, jedes nachgewiesene und erprobte Mittel zur Besserung der Versorgung unserer Patienten einzusetzen. Und damit selbstverständlich die adjuvante HBOT.

Mit seinem Abschlussbericht zum Thema „Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom“ bestätigt dies nun auch das IQWiG.

Dr. Christian Oest, 1. Vorsitzender Verband Deutscher Druckkammerzentren e.V.

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