Zu diesem Ergebnis kommt die im Juli 2022 veröffentlichte Langzeitstudie renommierter israelischer Forscher an der Universität Tel Aviv (TAU). Die weltweit erste prospektive, randomisierte kontrollierte Interventionsstudie stellte bei Patienten mit Post COVID Krankheitssymptomen eine signifikante Verbesserung der kognitiven, neurologischen und psychiatrischen Funktionen fest. Vorausgegangen war eine intensive Behandlung mit hyperbarer Sauerstofftherapie (HBOT). Protokolliert wurden die positiven Veränderungen durch MR-Tomografie-Bilder der Gehirnbereiche, in denen zuvor Schäden nach einer Covid-19-Infektion festgestellt worden waren.

Das Forscherteam fand heraus, dass die Sauerstoffüberdrucktherapie die kognitive Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, psychiatrische Symptome (Depression, Angst und Somatisierung), Schmerzstörungssymptome und Ermüdung verbessert.  In der Sauerstoffgruppe zeigten MRT-Studien eine signifikant bessere Hirndurchblutung und einige mikrostrukturelle Unterschiede, die auf eine verbesserte Neuroplastizität hinwiesen – Unterschiede, die mit der klinischen Verbesserung korrelierten. Die Studienergebnisse wurden in den „Scientific Reports“ von „Nature“ veröffentlicht.

Chronische Verletzungen des Gehirns lösen Fatigue und Gehirnnebel aus

Das Team um Prof. Shai Efrati konnte nachweisen, dass bei einigen Patienten das SARS Covid-19 Virus in das Gehirn eindringt und dort reale biologische Schädigungen des Gehirngewebes auslöst. Efrati selbst geht davon aus, dass das Virus durch den sich direkt über der Nase befindenden Schädelbereich, der Lamina cibrosa, dorthin eindringt und die chronischen Verletzungen in erster Linie der Gehirnregionen des Frontallappen schadet. Dieser ist für kognitive Funktionen, den psychischen Zustand und das Schmerzempfinden verantwortlich. Jenes führt bei den Betroffenen zu Symptomen wie Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen sowie Gehirnnebel („Brain fog“) und geistiger Erschöpfung bis zu Stimmungsstörungen, Depressionen und Angstzuständen. Die Long- genauer gesagt Post-Covid-Erkrankung kann mehr als drei Monate bis zu zwei Jahren andauern und hat für viele Patientinnen und Patienten zum Teil dramatische Auswirkungen auf ihr Alltags- und Berufsleben. 

Erste Studie zur HBO-Therapie bei Post-Covid mit höchster Aussagekraft

Die Studie untersuchte die Wirkung der HBOT bei 73 Post-COVID-19-Patienten mit mindestens drei Monate anhaltenden klinischen Symptomen nach bestätigter Infektion. 37 Teilnehmende erhielten über zwei Monate eine HBO-Behandlung in der Druckkammer, bei der sie über neunzig Minuten unter deutlichem Überdruck hundert Prozent Sauerstoff durch Masken einatmeten. Bei 36 Probanden wurde eine Placebo-Behandlung mit normaler Luft durchgeführt. Die Teilnehmer wurden gebeten zu erraten, ob sie eine hyperbare Sauerstofftherapie oder eine Scheinbehandlung erhalten hatten: Die Teilnehmer in beiden Gruppen konnten nicht richtig raten.  Bei allen Patienten erfolgten im Studienverlauf computergestützte kognitive Tests und MRT-Untersuchungen.

HBOT regeneriert von Coronavirus geschädigte Bereiche des Gehirns

Unter der HBO-Therapie konnte eine „signifikante Verbesserung der Beschwerden“ erzielt werden. Die Post-Covid-Symptome der Kontrollgruppe veränderten sich dagegen nicht. Dabei hätten sich die größten Veränderungen bei den allgemeinen kognitiven Funktionen und hinsichtlich Aufmerksamkeit und Exekutivfunktion gezeigt. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich in der schnelleren Verarbeitung von Informationen, bei mentalen Symptomen sowie bei körperlichen Schmerzen und in der Schlafqualität. Diese klinischen Befunde stimmten mit den Gehirnaufnahmen vor und nach der HBO-Therapie ein. Es zeigten sich deutliche Veränderungen in den vom Covid-19-Virus geschädigten Bereichen des Gehirns. 

Hyperbarer Sauerstoff: Neuroplastizität und gesteigerte Gehirndurchblutung

Diese Ergebnisse deuten für das Forscherteam auf zweierlei hin: Wie bereits für andere Indikationen nachgewiesen, kann die hyperbare Sauerstofftherapie auch bei einer Post-Covid-Erkrankung Hirnschäden reparieren. Die HBOT löst einen Regenerationsprozess aus, bei dem sich neue Neuronen und Blutgefäße bilden. Hyperbarer Sauerstoff induziert auch nach einer Coronainfektion mit Langzeitfolgen eine überdurchschnittliche Gehirndurchblutung und potenzierte Neuroplastizität in Gehirnregionen, die mit kognitiven und emotionalen Funktionen verbunden sind.

Druckkammerzentren im VDD bestätigen Behandlungserfolge bei Post- und Long Covid

„Diese Ergebnisse bekräftigen die Beobachtungen, die wir bisher an unseren Druckkammerzentren im experimentellen Einsatz der Sauerstoffüberdrucktherapie bei Post Covid gewonnen haben“, betont Dr. med. Claus Müller-Kortkamp, Vorsitzender des Verbands Deutscher Druckkammerzentren (VDD). „Die HBO-Therapie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, bisher in Alltag und Beruf durch Post-Covid-Erkrankung stark eingeschränkten Patienten wieder ein aktives Leben zu ermöglichen. Bestehende Therapiekonzepte können sinnvoll durch HBOT ergänzt werden. Nun sind Krankenkassen und Reha-Träger am Zug.“ 

Quellen:
Hyperbaric oxygen therapy improves neurocognitive functions and symptoms of post-COVID condition: randomized controlled trial. Shani Zilberman-Itskovich, Merav Catalogna, Efrat Sasson, Karin Elman-Shina, Amir Hadanny, Erez Lang, Shachar Finci, Nir Polak, Gregory Fishlev, Calanit Korin, Ran Shorer, Yoav Parag, Marina Sova & Shai Efrati

https://www.nature.com/articles/s41598-022-15565-0

https://doi.org/10.1038/s41598-022-15565-0

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