Für die Behandlung von leitliniengerecht diagnostizierten Hörstürzen gibt es keinerlei Therapie, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt würde. Die Patienten sind gezwungen auf IGeL-LEISTUNGEN zurückzugreifen.

IGeL-LEISTUNGEN grundsätzlich infrage zu stellen, ist also nicht sachgerecht. Im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ursprünglich verankerte Leistungen werden laufend gestrichen. Die natürliche Konsequenz daraus ist, dass Patienten auf die von ihnen als förderlich empfundenen Heilmaßnahmen nicht verzichten wollen und nach dem Instrument der IGeL greifen.

Insbesondere für den Hörsturz zeigt sich hier jedoch eine alarmierende Besonderheit, die besonderes Licht auf unser Gesundheitssystem wirft. Nachdem private Krankenversicherungen im internationalen Konsens Leistungen für die Hörsturzbehandlung in der Regel übernehmen (Tabletten. Infusionen, Cortison, hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) offenbart sich die offiziell negierte Zweiklassenmedizin auch an diesem Beispiel.

Die für Betroffene erschreckende Erfahrung der plötzlichen Hörminderung oder gar des Hörverlustes mit zumeist wesentlich belastenderem begleitendem Ohrgeräusch (Tinnitus) findet leider keine Therapie, die von den gesetzlichen Krankenkassen (AOK, Ersatzkassen etc.) bezahlt würde.

Basis der in HNO-Fachkreisen üblichen Hörsturztherapie:

Der früher gebräuchliche Terminus “Der Hörsturz sei der „Herzinfarkt“ des Ohrenarztes“ gilt heute nicht mehr. Die Behandlungsergebnisse sind bei frühem Behandlungsbeginn (innerhalb von Stunden) besser, weil auch alle spontan (ohne Behandlung) heilenden Fälle mit subsummiert werden. Man geht heute davon aus, dass die Behandlungsergebnisse gleich gut sind, wenn die infrage kommenden Therapien in den ersten 4-6 Wochen abgeschlossen sind.

Die Prognose unter dieser Prämisse: Wird eine Therapie verspätet begonnen, verschlechtert sich das Hörvermögen zusehends. Treten plötzlich Gleichgewichtsstörungen auf, sinkt die Prognose einer vollständigen Regeneration deutlich, meist bleiben dann eine Hörminderung bzw. Hörgeräusche.

Für die Therapiemaßnahmen Infusionen jedweder Art, durchblutungsfördernde Medikamente, Procain, Lidocain, Entwässerungsmittel und auch Kortison systemisch gibt es keinen wissenschaftlich belastbaren Nachweis der Wirksamkeit, was auch zum Ausschluss dieser Behandlungsoptionen durch die gesetzlichen Krankenkassen in der ambulanten Patientenversorgung führte. Die Bewertungsmethoden sind in HNO-Fachkreisen nicht unumstritten, weil ganz offensichtlich zu hohe Spontanheilungsraten als Vergleichsmaßstab verwendet werden und der empirisch beobachtete Behandlungseffekt nur deshalb nicht nachzuweisen ist.

Einzelne evidenzbasierte Studien unterstützen die H.E.L.P. Apherese und die direkte Einspritzung von Kortison ins Mittelohr (intratympanale Kortisonapplikation).

Ein zu hoher Innenohrdruck wird bei Tieftonhörverlusten vermutet und in der Regel primär mit Entwässerungsmitteln behandelt.

Eine stationäre Aufnahme wird in der Regel von den medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDK) selbst bei solchen Fällen verweigert, in denen diese von der medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaft für HNO empfohlen wird. Damit entfällt die Möglichkeit in der ambulanten Versorgung ausgeschlossene Maßnahmen im stationären Bereich anzuwenden

Eine ganze Reihe von evidenzbasierten wissenschaftlichen Studien und zahllose Studien mit geringerer Evidenz haben dazu geführt, dass die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) sowohl im Europäischen Handbuch der HNO Heilkunde als auch von der wissenschaftlichen HNO Gesellschaft in den USA in ihrer Behandlungsleitlinie aufgeführt ist. Damit ist die „Feststellung“ des IGeL-Monitors falsch, dass es keine Leitlinie für Hörsturzbehandlung mit HBO-Einschluss gäbe.

Die Leitlinie der deutschen HNO Gesellschaft wird zur Zeit revidiert, u.a., um auch wieder Behandlungsmaßnahmen einzuführen. Vergleicht man die wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise der diversen Behandlungsoptionen, so steht die HBO weitaus am besten da.

Die HBO reichert den Sauerstoffgehalt im Innenohr messbar an. Es ist durch Messungen nachgewiesen, dass alle Erkrankungsursachen im Innenohr letztlich hier zu einem Sauerstoffmangel führen. Das wird im IGeL-Monitor unzutreffend dargestellt.

Die medizinischen Fachgesellschaften für Hyperbarmedizin empfehlen den Einsatz der HBO aus Kostengründen nach erfolgloser Vorbehandlung und weil es einzelne Studien gibt, bei denen sich in der Erstbehandlung von Hörstürzen der Vorteil einer HBO Behandlung nicht nachweisen ließ. (Andere Studien ergeben allerdings für die HBO auch als Erstbehandlung günstigere Behandlungserfolge.)

Der HBO wird fälschlich ein hohes Nebenwirkungspotential nachgesagt. Schon 2001 stellte die kanadische AETMIS fest, dass kein Beleg für besondere Schädlichkeiten gefunden wurde.

Druckausgleichsprobleme an den Ohren treten nach der Literatur in 3% der Fälle auf, wobei nur in 1% der Fälle mit Problemen behandelnd eingegriffen werden muss.

Klaustrophobie ist eine von der Druckkammer völlig unabhängige Erscheinung und keine Nebenwirkung derselben. Betroffene Patienten werden entsprechend betreut und absolvieren die Therapie in der Regel dann ohne Probleme.

Störungen des Sehvermögens kommen bei den kurzen Behandlungsphasen für Hörstürze praktisch nicht vor. (Bei sehr häufigen Behandlungssitzungen – 40 und mehr – werden sie in Einzelfällen beobachtet, bilden sich aber in der Regel spontan zurück.)

Der sauerstofftoxische Krampfanfall kommt statistisch in einer Häufigkeit von 1:10.000 bis 15.000 Behandlungen vor und ist für den Betroffenen in der Regel folgenlos.

Der besondere Aspekt beim Hörsturz liegt darin, dass hier seitens der gesetzlichen Krankenkassen für eine gesichert vorliegende Krankheit keine Behandlung finanziert wird. Die zu häufige Empfehlung von IGeL-LEISTUNGEN wird zu Recht in der Öffentlichkeit zunehmend diskutiert. Bei der Indikation Hörsturz sind sie aber essentiell, was nie erwähnt wird. Zudem besteht hier ein krasser Fall von Zweiklassenmedizin, da private Krankenkassen und die Beihilfe ihren Versicherten die Kosten für Hörsturz-Therapien erstatten.

Verband Deutscher Druckkammerzentren e.V., Dr. med. Christian Heiden (Vorsitzender), Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde

Weitere Informationen und Downloads

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Info-Broschüren für Patienten zur Übersicht
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