Pyoderma gangraenosum (Dermatitis ulcerosa)

Bei diesen Indikationen liegen bisher nur klinische Ergebnisse im Sinne von Erfahrungsberichten vor, die einer kritischen Analyse unter dem Gesichtspunkt evidenzbasierter Medizin nicht standhalten. Auf der Basis der vorliegenden Literaturübersichten können diese Indikationen im Rahmen von Studien mit entsprechender Vor- und Nachbereitung der Fälle nach Aufklärung und unter Einwilligung des Patienten etc. erfolgen.

Die Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) als Behandlungsmethode im Rahmen des Therapiekonzeptes bei Pyoderma gangraenosum (Dermatitis ulcerosa)

Der Einsatz der HBO-Therapie bei o.g. Indikation ist in folgenden Fällen sinnvoll

Das Pyoderma gangraenosum (Synonym: Dermatitis ulcerosa) ist eine schwere, chronisch verlaufende herdförmige Hautgangrän unbekannter Ursache, wahrscheinlich auf Grund einer hyperergen Reaktion, mit häufigen Beziehungen zu inneren Erkrankungen (u. zu Autoimmunerkrankungen, malignen hämatologischen Erkrankungen, Dys- und Paraproteinämien, entzündlichen und nicht – entzündlichen Darmerkrankungen, hyperergen Gefäßerkrankungen).

Relativ seltene Erkrankung, meist nur sporadische Fälle.

Es handelt sich nosologisch nicht um eine Pyodermie, sondern um eine nekrotisierende leukozytoklastische Vaskulitis. Häufig finden sich eine gestörte zelluläre Immunität (Anergie gegen Recall Antigene, gestörte Balance zwischen T – Helfer- und T – Suppressor – Lymphyozten), eine Beeinträchtigung der Granulozyten- und Monozytenfunktion sowie monoklonale Gammopathien vom IgA – , IgG – und IgM – Typ. Krankheitsbeginn: perakut bis langsam progredient. Unbehandelt jahrelanger progredienter Verlauf ohne Spontanheilung.

Therapeutischer Nutzen und Vorzüge der HBO bei Pyoderma gangraenosum

Es liegt eine Reihe von Berichten über die erfolgreiche Behandlung des Pyoderma gangraenosum mit HBO vor, die zuvor auf eine immunsuppressive Standardtherapie nicht oder nur ungenügend angesprochen haben. Hierbei sind die Geschwindigkeit der Abheilung und das rasche Erreichen der Schmerzfreiheit nach Einleitung einer HBO-Therapie und die Größenreduktion entstellender Narbenplatten besonders bemerkenswert.

HBO kann auch dann noch mit Erfolg eingesetzt werden, wenn die medikamentöse immunsuppressive Therapie nicht erfolgreich bzw. wegen Kontraindikationen oder eingetretener Komplikationen nicht möglich ist (Buslau et al. 1993).

Mittel der Wahl ist eine immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden, Azathioprin, DADPS, Colchizin, Clofazimine oder Cyclosporin. Zusätzlich äußerliche Ulkustherapie mit Hydrokolloidverbänden, unter Beachtung einer möglichen bakteriellen Superinfektion. Die internistischen Begleitkrankheiten müssen adäquat behandelt werden.

Vor allem für die auf Entzündung beruhenden Pathomechnanismen liegen aufgrund klinischer und experimenteller Untersuchungen mit HBO gesicherte Erkenntnisse vor: Beeinflussung von Entzündung durch Zellaktivierung, Normalisierung der Funktion der Entzündungszellen, Antimikrobiose, Stoffwechselminderung durch O2 Mangel, Oedemreduktion, Wundheilungsvorgänge bei Reperfusionsschäden (siehe Übersicht über allgemeine HBO-Wirkungsprinzipien).

Möglicherweise spielen immunmodulierende Effekte der HBO in der Therapie immunologisch vermittelter Ulzera, z.B. beim Pyoderma gangraenosum, bei rheumatoider Arthritis oder bei Bindegewebskrankheiten eine Rolle (Saito et al 1991, Lukich et al. 1990, Barr et al. 1972 ). In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß HBO auch mit Erfolg bei der Behandlung zunächst therapierefraktärer perianaler M. Crohn – Läsionen eingesetzt wurde, einer Erkrankung, die mit einem Pyoderma gangraenosum assoziiert vorkommt (Nelson et al. 1990 ). Unter HBO ist die Proliferationsrate von T-Lymphozyten reduziert (Mausmodell). Ferner dürfte die Verbesserung der Granulozytenfunktion durch HBO von nicht geringer Bedeutung sein.

Studien und Expertenaussagen zur HBO

Bislang liegen zahlreiche Fall – Kontroll – Studien, zumeist als Einzelfallberichte, zur erfolgreichen Therapie des Pyoderma gangraenosum mit HBO vor.
  1. Buslau, M.; Hoffmann, G.: Die Hyperbare Oxygenation (HBO) – eine adjuvante Therapie akuter und chronischer Wundheilungsstörungen 1993
    Neben einer kurzen Literaturübersicht wird ein Fall geschildert, der bei Verweigerung der Basisbehandlung unter HBO ausheilte.
  2. Cales-Quist, D.; Marichi, J. M.; Gossrez, O.; Constant-Desportes, M.: Pyoderma gangrenosum. A propos dún cas 1991
    Es werden 3 Fälle mit schneller Vernarbung unter HBO bei beibehaltener Basistherapie vorgestellt.
  3. Wasserteil, V.; Bruce, S.: Pyoderma gangrenosum treated with hyperbaric oxygen therapy 1992
    Es wird ein über Jahre therapierefraktärer Fall vorgestellt, der unter HBO bemerkenswert schnell schmerzfrei wurde und abheilte.

Rook/Wilkinson/Ebling: Textbook of Dermatology, Blackwell, 1992Die Empfehlung zur adjuvanten Therapie des Pyoderma gangraenosum mit HBO hat bereits Eingang in renommierte internationale Standardlehrbücher der Dermatologie gefunden, wobei insbesondere wieder auf die rasche Abheilung des nicht selten schwer therapierbaren Pyoderma gangraenosum und auf die Schmerzreduktion dieser Therapie explizit hingewiesen wird („hyperbaric oxygen reduces pain and may accelerate healing“).

Risiken der HBO-Therapie

Die Risiken der HBO-Therapie für die hier beantragte Behandlungsindikation sind mit denen bei anderen Behandlungsindikationen vergleichbar (s. zusammenfassende Darstellung „Risiken der HBO-Therapie“).

Wirtschaftlichkeit der HBO-Therapie

Die durch den Einsatz einer adjuvanten HBO-Therapie bei Pyoderma gangraenosum erzielbaren Kosteneinsparungen lassen sich angesichts niedriger Fallzahlen vorerst nicht einigermaßen sicher erfassen. Durch die adjuvante Therapie des Pyoderma gangraenosum kann das Pyoderma gangraenosum rascher zur Abheilung gebracht und oftmals eine stationäre Behandlung vermieden bzw. abgekürzt werden. Hieraus ergibt sich im individuellen Fall ein nicht geringes Sparpotential.