Evidenznachweis der HBO

Evidenznachweise zum therapeutischen Nutzen der HBO sollten aus verschiedenen Gründen nicht als idealtypische Doppelblindstudie durchgeführt werden. Um einen zu vermutenden Placeboeffekt – resultierend aus der Tatsache des Aufenthaltes in der Druckkammer – auch der Kontrollgruppe anzubieten, müßten diese Patienten während der Druckkammerbehandlung statt des Medikamentes „Sauerstoff“ andere Gasgemische mit niedrigerem Sauerstoffgehalt atmen. Hierbei sind folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:

Wird hierfür Luft verwendet, so ergeben sich bei üblichen Therapieschemata mit z.B. 250 kPa bereits ein inspiratorischer pO2 von 53,5 kPa, entsprechend einem FiO2 von 0,535 bei atmosphärischen Druck (=53,5%). Soll die Kontrollgruppe echte normoxische Gasgemische mit einem pO2 von 21 kPa, entsprechend einem FiO2 von 0,21 bei atmosphärischen Druck (=21%) atmen, so müßten z.B. für ein Therapieschema bei 250 kPa Gasgemische mit einem FO2 von 0,084 hergestellt werden. Derartige Gasgemische sind aufgrund der Gefahr einer Hypoxie bei Atmung unter atmosphärischem Druck nicht unproblematisch.

Bei Atmung von Gasgemischen bei Therapiedrücken von z.B. 240 kPa mit einem pO2 von 21 kPa und Atmung dieses Gemisches über 135 Minuten (entspr. Problemwundenschema) kommt es bei Patienten der Kontrollgruppe zu einer Aufsättigung der Körpergewebe mit Inertgasen (z.B. Stickstoff). Dieser Umstand würde die Kontrollpatienten dem reellen Risiko einer Dekompressionskrankheit aussetzen. Dieses Risiko besteht für die HBO-Patienten mit 100% Sauerstoffatmung nicht und ist somit ethisch sehr kritisch zu beurteilen.

Möglich für die Kontrollgruppe ist die Atmung von Luft bei geringem Überdruck von z.B. 110 kP Hier ist die pO2-Erhöhung auf 23,1 kPa gegenüber den atmosphärischen Verhältnissen praktisch zu vernachlässigen. Allerdings ist zu erwarten, daß die Patienten – trotz der subjektiv spürbaren, leichten Druckerhöhung (Notwendigkeit des Druckausgleichs in den Mittelohren) – den Unterschied zu einer Druckerhöhung auf 250 kPa bemerken. Zudem ist im praktischen Ablauf nicht zu verhindern, daß Patienten untereinander ins Gespräch kommen und die Unterschiede in der Behandlungsweise spätestens dann offenbar werden.

Eine echte doppelte Verblindung der HBO-Therapie ist prinzipiell möglich. Sie führt aber entweder (bei Verwendung normoxischer Gasgemische unter dem echten Therapiedruck) zu einem unvertretbaren Dekompressionskrankheits-Risiko für die Kontrollpatienten oder aber zu großen praktischen Problemen bei der Verblindung der unterschiedlichen erforderlichen Behandlungsdrücke. Realistisch läßt sich eine Untersucher-Bias zwar ausschließen (studienführende Klinik weiß nicht um die Studiengruppe des untersuchten Patienten), eine Patienten-Bias wird aber bei diesem Studienkonzept immer bestehen bleiben.